Leben und Wohnen im Kölner Veedel Wahn
Foto: Thilo Schmülgen

Wahn. Die ganze Welt vor der Haustür.

In dieser Rubrik betrachten wir das Leben und Wohnen in Köln. Im Süden von Porz, nur 15 S-Bahn-Minuten vom Kölner Dom entfernt, haben zwischen Äckern und Landebahnen gut 7.000 Bewohner des Stadtteils Wahn ihr Zuhause. Wer sich bemüht, findet hier mehr Lebensqualität, als der erste Blick verheißt.

Jens Hermann von der Kaffeerösterei „Mahou“

„Wir haben ein riesen Einzugsgebiet“

„Kaffeerösterei“ steht auf dem großen Schild am Rand der mit Autos beladenen Durchfahrtsstraße. Dazu ein Zettel, wie beiläufig an die Ladentür gepinnt: „Alle Hunde (auch die niedlichen) müssen leider draußen warten.“ Das ist natürlich schade, besonders für die kleinen Kläffkatzen. Das erscheint aber auch in seinem betont beiläufigen Design zu verspielt-urban für dieses sonst so zweckmäßig geratene Vorörtchen. Gegenüber eine Volksbank-Filiale, ein Torten-Outlet und das Bistro „Paradise“, nebenan das Schuhhaus Buschmann und der Sanitärbetrieb Umstädter. Die natürliche Kundschaft eines Kaffeeshops lebt eher in der Südstadt, Nippes oder Ehrenfeld. Seit 2012 betreiben Jens Hermann und seine Frau das „Mahou“. „Wir haben ein riesen Einzugsgebiet – die Dörfer um Wahn herum, bis rüber nach Porz und runter nach Bonn. Wir hoffen, dass wir unseren Ort mit dem, was wir tun, ein wenig bereichern können.“

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Nebenan im „Kulturgut Eltzhof“ probt Schwiegervater Roland für die Veranstaltungsreihe „Kölsche Weihnacht“, seit Jahrzehnten ein Renner in der Vorweihnachtszeit. Hermann und seine Schwiegerfamilie Kulik sind dem einstigen Lehr- und Versuchsgehöft der Landwirtschaftskammer Köln eng verbunden. Hier residiert das Kulturzentrum, das Kölner Kulturschaffenden von Bläck Fööss bis Brings eine Bühne bietet. Ab 2004 betrieben die Kuliks selbst das Kulturgut mit dem heute rund 450 Zuschauer fassenden Theater. Drei Jahre später allerdings wechselte die Inhaberfamilie Eltz-Rübenach zu einem Brauhausbetreiber, die Kuliks waren außen vor. „Letztlich war das gut für uns“, bilanziert Hermann. Mit ihrer Veranstaltungsfirma macht die Familie heute das Programm im Kulturgut, mit dem „Mahou“ bringt sie gepflegte Kaffeekultur ins Porzer Vorland.

Juliane Jordan und Jens Ahland vom Hauptzollamt

„Vor 20 Jahren waren es vielleicht 200 Sendungen“

Die Bohnen dafür kommen von weither: aus Vietnam, Äthiopien oder Kuba. Ob das alles Einfuhr-rechtlich seine Ordnung hat, prüfen bei Bedarf Juliane Jordan und ihre derzeit 19 Mitarbeiter. Das Hauptzollamt ist seit 2006 für viele Kölner der einzige Grund, weshalb es sie nach Wahn verschlägt. Das beim Online-Händler geschossene Notebook-Schnäppchen, der elektrische (!) Handtuchhalter oder die 100er-Rutsche E-Scooter aus Fernost unterliegen entweder Zollgebühren, die der Empfänger zu entrichten hat, oder verstoßen gegen Sicherheits- und Umweltauflagen.

„Es ist immer wieder erstaunlich, wie verärgert manche Menschen darüber sind, dass sie eine Sendung aus einem Nicht-EU-Land bei uns abholen und was bezahlen müssen“, sagt Pressesprecher Jens Ahland. Er empfiehlt die Smartphone-App Zoll & Post: Sie dient der Vorab-Berechnung von Gebühren und informiert darüber, ob es wirklich so schlau ist, ein als „Süßigkeit“ deklariertes Reptil von den Galapagos-Inseln einzuführen.

Drei- bis viertausend Sendungen nehmen die Fahnder monatlich unter die Lupe, in der Weihnachtszeit sind es locker 5000. „Vor 20 Jahren waren es vielleicht 200“, rechnet Jordan vor. „Aber da gab’s fast nur gewerbliche Sendungen oder mal das Paket von der Tante aus Amerika.“ Dann kam das Internet.

Isabel Krüger vom TSC Mondial

„Es gibt kaum eine gesündere Sportart“

Für von allzu viel Online-Daddelei gebeugte Rücken gibt’s nebenan ein haltungsförderndes Angebot: den TSC Mondial; das Kürzel steht für „Tanzsportclub“. An diesem Wochenende sind aus ganz NRW, sogar aus Bremen und Frankfurt Paare angereist, um beim „S-Klasse Meeting“ ihr Können zu zeigen. Mit einem schwäbischen Fahrzeughersteller hat das nichts zu tun, es geht vielmehr um die Frage, wer in seiner Altersklasse den besten Walzer, Tango oder Foxtrott aufs Parkett zaubert. Schick gekleidete Paare von Anfang 30 bis weit über 60 schweben federleicht, lächelnd und aufrecht durch den Saal, in dem der aktuell rund 240 Mitglieder zählende TSC seit 2006 sein Zuhause hat.

„Es gibt, gerade im Alter, kaum eine gesündere Sportart“, sagt Sprecherin Isabel Krüger. „Tanzen schult den gesamten Körper und den Geist, wirkt gegen Alzheimer und Demenz.” Man muss kein junger Hüpfer sein, um Tanzsportler zu werden, aber Zeit sollte man haben. „Dreimal Training pro Woche ist das Minimum, um an Turnieren teilnehmen zu können“, erklärt August Schäfer, selbst engagierter Tänzer. „Man will ja auch ein bisschen Erfolg haben.“

Ob sich Jens Hermann dafür begeistern ließe? Zum Tanzen und Feiern reist er wie die meisten jüngeren Wahner nach Köln: „Außer im Eltzhof ist hier nix los.“ Die S-Bahn fährt alle zehn Minuten. Und wenn’s mal weiter weg gehen soll – der Flughafen Köln-Bonn liegt fast in Sichtweite. „Das ist so ein Luxus”, findet Hermann. „Wer kann schon mal eben von der Haustür weg nach London oder auf eine schöne Insel fliegen?“ Aber der Fluglärm! „Ach was“, sagt Hermann. „Ich seh‘ lieber das Positive.“

Text: Sebastian Züger