Leben und Wohnen im Kölner Veedel Mauenheim
Foto: Thilo Schmülgen

Mauenheim. Klein und fein.

In dieser Rubrik betrachten wir das Leben und Wohnen in Köln. Hier spielen die Kinder auf der Straße. In Mauenheim nicht nur eine Redensart, sondern gern gelebte Realität. Doch auch im kleinsten Stadtteil Kölns bleibt die Zeit nicht stehen.

Anwohner Axel Steinkuhle und Silke Kachtik

„Wir wussten gar nicht, dass es diesen Ort hier gibt“

Zufällig einen alten Bekannten getroffen. Großes Hallo und routiniertes Erstaunen: „Köln ist eben ein Dorf.“ Tatsächlich ist es das nicht. 1.084.795 Einwohner zählte die offizielle Verwaltungsstatistik im Jahr 2017. Damit ist Köln hinter Berlin, Hamburg und München Deutschlands Millionen-City Nummer Vier. Doch die „Dorf“-Analogie hält sich wacker, auch in dieser Veedels-Serie. Womöglich liegt das an Orten wie Mauenheim, mit 5.654 Bewohnern im Jahr 2017 der kleinste Stadtteil Kölns. Das entspricht durchaus einer dörflichen Größenordnung, und ein Spaziergang durch die in Teilen verkehrsberuhigten Gassen verstärkt diesen Eindruck.

In der Siedlung rund um den Nibelungenplatz ist heute richtig was los. Überall Verkaufstische voller Spielzeug, Bücher, Schallplatten und sonstiger Schätze, die ihre Besitzer beim ehrenamtlich organisierten Vorgartenflohmarkt gern loswerden würden. Frida (8) hat was entdeckt: Vor einem Nachbarshaus steht die Hörspielversion eines Harry Potter-Romans zum Verkauf. Axel Steinkuhle, Fridas Papa, nickt zustimmend, die Tochter darf ihr Taschengeld investieren.

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Genau wie diese Hörspielkassetten wirkt die gesamte Szenerie wie eine vertraute Erinnerung aus Kindheitstagen. Viele der familienfreundlichen Häuschen mit Vorgarten sind unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg entstanden, erbaut von der Kölner Architektenlegende Wilhelm Riphahn im Auftrag der damals neu gegründeten GAG Immobilien AG. In den vergangenen Jahren hat ein Generationenwechsel eingesetzt, der auch Fridas Familie hierhergebracht hat. „Bevor wir 2013 aus Nippes nach Mauenheim gezogen sind, wussten wir gar nicht, dass es diesen Ort hier gibt“, räumt Fridas Mama Silke Kachtik unumwunden ein. Das Haus entdeckten sie auf einem Online-Immobilienportal, im Bieterverfahren erhielten sie den Zuschlag.

Papa Axel zündet sich eine Selbstgedrehte an und pustet den Rauch von der schmucken Holzterrasse herunter in den Garten. „Es ist einfach ideal hier“, sagt er. „Wir sitzen im Grünen, und vor der Haustür treffen sich unsere Töchter mit den Nachbarskindern zum Spielen.“ Dass beide Kinder – Frida und ihre vier Jahre jüngere Schwester Mieke – schon im Alter von zweieinhalb Jahren Fahrradfahren konnten, ist kein Wunder. Die Sträßchen der Nibelungensiedlung sind wie gemacht dafür.

Flohmarkt-Organisator Christoph Stein

„Andere ziehen aufs platte Land“

Seit mehr als einem Jahrzehnt ist Christoph Stein einer der Organisatoren des Flohmarkts. Wir treffen ihn im Biergarten des Siegfriedhofs, dem einzigen Gasthof im Herzen Mauenheims. „Montag gibt’s Reibekuchen, Freitag Backfisch”, erklärt er schmunzelnd. Wohlwissend, dass es Verlässlichkeiten wie diese sind, die aus einer zufällig zusammengewürfelten Siedlungsbelegschaft eine Dorfgemeinschaft machen.

Aber nicht nur: Mauenheim gönnt sich einen eigenen Karnevalszug. „Den unterstützen sämtliche Bewohner, unter anderem mit einer Abgabe.” Keine Selbstverständlichkeit.

Die Rievkooche kommen. „Ist die Frau gesund?”, fragt die Bedienung. Christoph nickt, sie lächelt. 2002 kam das Paar aus Weidenpesch nach Mauenheim. Ähnlich wie die Kachtik-Steinkuhles fanden auch sie auf rund 140 Quadratmetern ihr Glück. „Inklusive Haus, Garten und Bienenstöcken.” Ein Auto brauchen sie nicht. „Andere ziehen aufs platte Land, aber die haben dann auch 20 Minuten bis zum nächsten Supermarkt.” In derselben Zeit schafft es Christoph mit dem Fahrrad bis zum Dom.

Gastwirt Willy Strozynski mit seiner Frau Ingrid

„Die Mauenheimer reden miteinander“

Solche Touren sind Willy Strozynskis Sache nicht. Seit 1972 betreibt er gemeinsam mit seiner Frau Ingrid den Siegfriedhof. „Die Gastronomie funktioniert nach wie vor“, sagt er. „Sonst hätten wir das nicht so lange gemacht.“ Aktuell gibt’s neuen Gesprächsstoff für den Stammtisch. Die Stadtverwaltung plane, die Neue Kempener Straße für 40-Tonner-Lkw aufzubereiten, berichtet der Wirt. „Wir Mauenheimer sind natürlich gar nicht begeistert. Die alten Häuser haben Holzböden. Da wandern die Gläser schon in den Schränken, wenn nur ein Bus durch die Straße fährt.“

Widerstand formiert sich bereits, denn: „Die Mauenheimer reden miteinander.“ Und wenn sie das tun, dann ist klar, wo: „Natürlich im Siegfriedhof.“ So ist an dieser Stelle Köln tatsächlich ein Dorf – ein gallisches noch dazu.

Text: Sebastian Züger